Wie Achtsamkeit mehr Wohlbefinden und positive Veränderung ermöglicht.
Jede Veränderung in uns beginnt damit, dass wir eine neue Haltung, eine neue Perspektive einnehmen. Dass wir einen Schritt zurücktreten und nochmal genauer hinsehen. Ungefähr so, wie wir uns auch in einem Spiegel betrachten können. Wir erschaffen Raum für inneres Wachstum, wenn wir lernen, uns selbst mit etwas Abstand zu betrachten. Achtsamkeit im Umgang mit uns selbst hilft dabei, diesen Abstand zu unseren Gefühlen und Gedanken immer wieder zu ermöglichen. Zugegeben, das ist oft herausfordernd - aber gleichzeitig extrem wertvoll. Wir alle können diese Fähigkeit der achtsamen Selbstdistanzierung kultivieren.
Viele Probleme wurzeln darin, dass wir in ihnen versinken und dann keinen Ausweg sehen. Wir hängen dann zu sehr in unserer eigenen Sicht der Dinge fest. Selbstdistanzierung bedeutet, einen gesunden Abstand zur eigenen Person zu gewinnen. Was meine ich damit? Ich meine damit die grundmenschliche Fähigkeit, sein eigenes «Sein», also die eigenen Empfindungen und Verhaltensweisen zu überdenken und zu reflektieren. Manchmal fühlen wir uns mit diesem Teilin uns, der uns selbst aus etwas Entfernung betrachtet, nicht in Verbindung oder wir haben das Gefühl, es gibt ihn nicht. Es ist wichtig, diesen Teil in uns zu erkunden und zu stärken. Es ist wichtig zu verstehen, dass es einen Teil in Ihnen gibt, der klüger ist als die Gedanken und Verhaltensweisen, welche Ihnen zu schaffen machen. Selbstdistanzierung ist also auch der Weg sich selbst besser kennen zu lernen und zu sehen, was Sie im Kern ausmacht.
Automatisierte Reaktionen können durch bewusste Entscheidungen abgelöst werden
Wir müssen nicht immer so, wie wir im ersten Moment meinen. Wir können auch anders. Viktor E. Frankl, Begründer der Logotherapie, beschreibt es so: «Der Mensch kann von sich abrücken, er kann sich gegenübertreten, ja er kann sich sogar entgegentreten, wenn es notwendig ist.» Offensichtlich geht es in der Selbstdistanzierung nicht nur darum sich selbst kritisch zu hinterfragen – sondern auch darum, aus diesen Gedanken bestimmte Handlungen abzuleiten. Das gilt für die grossen Themen des Lebens genauso wie für die kleinen Herausforderungen Ihres Alltags.
Selbstdistanzierung als Selbstreflektion ist der erste Schritt und für sich allein eine Leistung. Der zweite Schritt ist aus den neuen Gedanken andere Handlungen abzuleiten. Wenn das gut läuft, erlaubt Ihnen diese Fähigkeit, ein Leben zu führen, welches vermehrt in Einklang mit Ihren Werten, Zielen und Überzeugungen ist: Sie finden etwas mühsam, aber Sie machen es trotzdem. Sie können sagen, dass Sie sich verletzt fühlen und traurig sind, ohne aggressiv zu werden oder Teller zu schmeissen. Selbstdistanzierung hilft uns also nicht nur dabei, uns immer wieder die Frage zu stellen «Wer möchte ich sein?», sondern auch im nächsten Schritt durch unser Handeln diese Person zu werden, die wir sein wollen. Wenn das gut funktioniert, erleben wir uns als stark und selbstbestimmt. Das schafft Selbstvertrauen.
Bitte Abstand halten!
Wenn wir es nicht schaffen, uns selbst immer mal wieder mit etwas Abstand zu betrachten, kann das entsprechend dazu führen, dass wir unser Handeln an wichtigen Stellen nicht überdenken oder als notwendigerweise «gegeben» ansehen. So kann es etwa sein, dass Sie bestimmte Dinge an sich selbst als unveränderbar wahrnehmen, obwohl diese durchaus veränderbar wären – vielleicht wissen Sie einfach noch nicht genau, wie. Im Gegensatz zur gelingenden Distanzierung machen Personen sich dann «eins» mit bestimmten Handlungs- oder Denkmustern, welche zwar eingeschliffen sind, aber eigentlich nicht gewollt: «Ich bin halt überkritisch und perfektionistisch» oder «Ich war schon immer ein ängstlicher Mensch». Je stärker diese Identifikation, desto stärker behindern Personen sich selbst dabei, sich zu verändern. Sie kennen den schwarzen Hund? Matthew Johnstone bringt das heilsame Prinzip der Selbstdistanzierung durch seine berührenden Illustrationen viel besser zum Ausdruck, als ich es hier mit Worten könnte.
Soviel zur Theorie. Falls Sie nun das Gefühl haben, etwas mehr Selbstdistanzierung könnte Ihnen ab und an auch gut tun, gibt es gute Nachrichten: Das können Sie lernen und üben. Sie können Ihre Fähigkeit zur Selbstdistanzierung auf unterschiedliche Art und Weise stärken.
Hier meine Tipps für Sie:
Wechseln Sie ganz aktiv die Perspektive. Selbstdistanzierung können Sie ganz bewusst und einfach durch einen simplen Trick üben: Wechseln Sie die Perspektive. Denken Sie über die Herausforderung nach, welche Sie gerade beschäftigt. Nehmen Sie Stift und Papier zur Hand und schreiben Sie über dieses Thema - aber schreiben Sie darüber, als wäre es eine andere Person. Schreiben Sie über Ihr Problem, als würde es jemand anderem passieren. Vermeiden Sie also die Perspektive der ersten Person, wie «Ich» «mich», und so weiter. Eine andere Möglichkeit ist es, doch ihre eigene Perspektive beizubehalten, aber nicht die aktuelle, sondern die Ihres älteren und weiseren Selbst. Stellen Sie sich vor, Sie wären bereits 25 oder 30 Jahre älter, als Sie es jetzt sind. Wie wird Ihr älteres Selbst Ihre derzeitige Situation beschreiben? Was würde es Ihnen raten?
Achtsamkeitspraxis und Meditation. Ich persönlich glaube, dass Ihnen nirgendwo so bewusst wird, was Ihre Person tatsächlich ausmacht und was nicht, als in der bewussten Verbindung von Körper, Psyche und Geist während der Meditation und in der Achtsamkeit: Ihr Denken sammelt und beruhigt sich und es wird einfacher, sich mit dem geistigen Anteil Ihrer Person zu verbinden und festzustellen, welche enorme Kraft in Ihnen liegt. Sie werden merken, dass diese Angewohnheiten oder Muster, die sie überwinden möchten, nicht zu Ihnen gehören und dass Sie alles mitbringen, um diese Veränderung zu bewirken. Noah Rasheta erklärt das wunderbar, wie ich finde, in diesem Podcast «Threefold Mindfulness Meditation». Dazu gibt es zwei Meditationen, die beide dazu dienen, die Fähigkeit zur Selbstdistanzierung zu stärken. Beide dauern 15 Minuten, eine ist angeleitet, die andere nicht.
Nehmen Sie sich Zeit für sich: Nehmen Sie sich Zeit, einen Stift und ein leeres Blatt Papier. Es ist okay, dass wir die Selbstdistanzierung nicht perfekt beherrschen. Niemand tut das, glaube ich. Überlegen Sie einmal: An welchen Stellen gelingt Ihnen das oben beschriebene Prinzip der Selbstdistanzierung gut? An welchen Stellen ist es schwieriger und Sie fühlen sich ein bisschen überfordert oder hilflos? Was sind Bereiche in Ihrem Leben, in denen Sie gern anders würden, als sie es gerade tun? Haben Sie Ideen, woran das liegen könnte? Was brauchen Sie, um sich auch entsprechend anders zu verhalten, anders zu denken oder anders zu fühlen?
Beratung. Manche Situationen im Leben können sehr schwierig sein und wir kommen an unsere Grenzen. Individuelle Beratung kann dann sehr hilfreich sein. Jede Form von Beratung und Psychotherapie stärkt Ihre Fähigkeit zur Selbstdistanzierung. Sie bekommen neue Impulse, überdenken sich selbst aus einer anderen Perspektive und es eröffnen sich Wege für positive Veränderung. Beratung ist ein Raum für Wachstum, in dem immer wieder Ihre Fähigkeit zur Selbstdistanzierung gefragt und unterstützt wird. Ich würde mich sehr freuen, Sie auf Ihrem Weg zu begleiten.
Persönliches Wachstum durch Achtsamkeit
In der Selbstdistanzierung geht es letztlich um das Wissen darum, wer Sie sind, wer Sie sein wollen – und was Sie nicht sein müssen. Es geht dabei nicht um Perfektion und Selbstoptimierung, sondern um Ihr Wohlbefinden, um Ihre Freiheit und Ihre Zufriedenheit mit sich. Sie haben mehr Macht über Ihr Leben, als Sie womöglich meinen. Eines meiner Lieblingszitate von Viktor E. Frankl ist dieses hier: «Man muss sich von sich selbst nicht alles gefallen lassen.» Es bringt mich jedes Mal zum Schmunzeln, auch wenn ich es gerade für Sie aufschreibe. Ich glaube, das bringt recht gut auf den Punkt, was Selbstdistanzierung ist. Diese Fähigkeit, mal einen Schritt zurück zu treten und sich selbst zu betrachten, ist so wertvoll für Ihre eigene Entwicklung, für Ihr tägliches Leben und die Bewältigung so mancher Herausforderung im Leben. Selbstdistanzierung ist oftmals der erste Schritt in Richtung Problemlösung. Sie müssen sich wirklich nicht alles gefallen lassen…